„Unser Anspruch als Familienunternehmen ist es, Tradition mit neuen innovativen Wachstumsfeldern zu ergänzen, um zukunftsfähig zu sein“ schildert Kurt Bernegger, Eigentümer und Geschäftsführer der gleichnamigen Bernegger GmbH. Das Know-How im Tiefbau-, Spezialtief- und Brunnenbau sowie im Recycling und der Abfallwirtschaft wird ergänzt durch die Kompetenz im Rohstoffsektor. Bereits seit den 70er-Jahren liefert Bernegger Rohstoffe aus eigenen Kies- und Schottwerken an die Bau- und Betonindustrie und betreibt auch selbst österreichweit mehrere Betonwerke.
Der Einstieg in die Betonfertigteilindustrie war naheliegend der nächste Meilenstein in der langjährigen Erfolgsgeschichte der Bernegger Gruppe. 2019 übernahm man den Steyrer Betonfertigteilspezialisten Ratzinger. Vorwiegend stationär produzierte man bis dahin Elementdecken für den Wohnungsbau, dazu kundenspezifische Betonwaren wie Balkone, Unterzüge, Betonsteine und Kaminsysteme.
Bemerkenswerter Einstieg in Europas Betonfertigteilindustrie
„Europas Bauindustrie steht vor großen Herausforderungen wie den steigenden Rohstoff- und Energiepreisen, Turbulenzen in den Lieferketten, der Schaffung nachhaltiger Bauprozesse und ressourcenschonender Herstellverfahren mit einem möglichst geringen CO2-Fussabdruck. Aktuell und langfristig ist jedoch der Fachkräftemangel zentrales Thema. Da helfen Vielseitigkeit und Flexibilität, sowie ständige Investitionen, die den Bauablauf effizienter gestalten. Eine hohe Automatisierung ist unabdingbar, um wettbewerbsfähig zu bleiben“ so Kurt Bernegger.
„Immer einen Schritt weiter – mit zukunftstragenden Ideen und neuen Innovationsfeldern wollen wir technologisch stets die Märkte progressiv mitgestalten“ erklärt DI Kurt Bernegger, Gesamtprokurist und Teil der Geschäftsleitung bei Bernegger und verantwortlich für Technik und Investitionen innerhalb der Bernegger Gruppe. „Aktuell errichten wir beispielsweise in Enns Europas modernste Recycling-Sortieranlage für Leichtverpackungen. Eine Investition von € 60 Mio. für mehr Klimaschutz und regionale Wertschöpfung.“ Auch im neu geschaffenen Betonfertigteilsektor setzte man von Beginn an auf neue, wegweisende Technologie sowie modernste Maschinen- und Robotertechnik. „Europas modernstes Betonfertigteilwerk – das war unser Anspruch von Beginn an. Energieneutralität für mehr Klimaschutz ein weiterer“ erklärt DI Kurt Bernegger.
Mit der strategischen Entscheidung für das neue Betonfertigteilwerk im Herzen Oberösterreichs war der Grundstein gelegt. Dietach ist seit 20 Jahren ein zentraler Kiesabbaustandort in der Bernegger Gruppe. Es gibt optimale Synergieeffekte, es entfallen Transportwege und die Energiekosten sinken.
Vollautomatisch mit viel Robotertechnik und effizienten Abläufen
„Bernegger setzt in Dietach auf ein Konzept aus gut ausgebildeten Fachkräften in Verbindung mit modernster Anlagentechnik“ schildert Markus Schenk, Projektleiter Vertrieb bei Vollert, der das Projekt seit Beginn der ersten Gespräche im Jahr 2018 mit begleitet. „Von rein stationären Fertigungsbahnen auf ein hoch automatisiertes Anlagenkonzept für Doppelwände und Elementdecken umzustellen, erforderte, die vorhandenen Fachkräfte von Beginn an mit unserer Vision mitzunehmen und intensiv zu schulen. Dabei war es uns auch wichtig, optimale Arbeitsbedingungen zu schaffen“ führt DI Kurt Bernegger aus. Dafür wurde das Anlagenlayout sehr großzügig ausgelegt, für optimales Licht gesorgt, auf natürliche Materialien wie Holz im Dachbinder gesetzt und auch darauf geachtet, dass die Lärmentwicklung der Maschinen überschaubar bleibt.
Qualität ist ein weiterer wichtiger Wert in der Bernegger-Tradition. „Die hohen Qualitätsanforderungen unserer Kunden in der Bauindustrie konstant zu erfüllen, das war und ist unser Maßstab – jeden Tag“ schildert DI Erich Moser, Werksleiter am Standort Dietach. Für Wände und Decken sind Maßhaltigkeit sowie die Wertigkeit der Oberflächen die wesentlichen Hauptfaktoren. Dabei ist die produktionsseitige Anlagentechnik entscheidend. „Ein besonderes Augenmerk gilt den Betonier-, Verdichtungs- und Aushärteprozessen sowie dem vollautomatisierten Einschalungsprozess. Mit der SMART SET Linie bieten wir hierfür modernste CAD/CAM gesteuerten Robotertechnik“ so Markus Schenk von Vollert. Der SMART SET2 Schal-/Entschalroboter ist ein Multifunktionsroboter der neuesten Generation, der innovative Technik mit hoher Verfahrgeschwindigkeit und Beschleunigung verbindet. Auf der SMART SET Roboterlinie bei Bernegger wird abhängig vom Wand- oder Deckentyp das Stepless 1040 Schalungssystem CAD/CAM-gesteuert positioniert, bei Bedarf die Konturen für Einbauteile und Bewehrungskomponenten vorgeplottet oder direkt bis zu vier Dosenmagnete gleichzeitig im richtigen Abstand gesetzt. Der Einsatz einer Styroporergänzung ist somit nur noch bei besonderen Geometrien notwendig. Für den Entschalvorgang scannt ein optisches Abtastsystem die Oberfläche und registriert die Art und Lage der Abstellprofile, bevor der SMART SET diese abnimmt und dem Reinigungsvorgang zuführt. Ein SMART STORE Magazinierroboter übernimmt anschließend die Zwischenlagerung der Abstellprofile in die Lagermagazine bzw. das Auslagern auf die Zuführstrecke zum nächsten Einschalvorgang.
Die Einzelbewehrungsdrähte als auch die Gitterträger werden über eine vollautomatische AWM-Bewehrungsanlage eingebracht. Dies geschieht über eine Mehrlinienricht- und Biegemaschine, ein effizientes Schneid- und Schweißsystem für die Gitterträger sowie einem Autolayer-Roboter für das Ablegen der Stäbe und Gitterträger. Einbauteile wie Steckdosen und Fensterrahmen sowie die Bewehrungsergänzung werden manuell gesetzt. Für die Qualitätskontrolle sind an den manuellen Arbeitsplatzstationen Laserprojektoren installiert.
Tough Cast-Technologie im Betonierprozess
Moderne Betonverteiler stehen durch präzise und schnelle Verfahrwege und einen optimierten Betonaustrag für eine hohe Anlagenproduktivität im Betonfertigteilwerk. Eine präzise Betondosierung gewährleistet einen exakt kalkulierbaren Materialeinsatz, die CAD/CAM-basierte Bahnensteuerung sorgt für einen gleichbleibend homogenen Austrag. „Für einen optimalen Betonierprozess sorgt bei Bernegger ein vollautomatischer, brückengeführter SMART CAST Betonverteiler“ erklärt Jürgen Hesselbarth, Projektleiter bei Vollert. Die Ansteuerung der Schneckenantriebe im Automatikbetrieb erfolgt einzeln oder gruppenweise. Verschlusskappen sorgen für einen sauberen Austrag. Eine rotierende Verteilerwalze verhindert eine Schüttkegelbildung und gewährleistet einen sehr guten Betonfluss zum Austrag hin.
Vollert setzt mit der Tough Cast-Technologie bei den Austragsschnecken und -kanälen auf vollständig gegossenen, nachgehärteten Stahl, der deutlich verschleißresistenter ist. „Besonders ist auch eine spezielle Wechselvorrichtung, die einen schnellen Austausch ähnlich einfach wie bei einem Reifenwechsel beim Auto ermöglicht“ erklärt Jürgen Hesselbarth. Die Antriebswelle verbleibt beim Austausch der Austragsschnecke in ihrer Lagerposition, was eine deutliche Zeit- und Kostenersparnis bedeutet. Beim Gegenspieler der Schnecke, dem Austragskanal setzt man statt auf Stahlblech auf Gusseisen. Die Austragskanäle werden einzeln eingesetzt und sind somit auch einzeln austauschbar, was die Instandhaltung deutlich wartungsfreundlicher macht.
Die Verdichtung des Betons mittels einer VArio COMPACT Schüttelstation gewährleistet eine optimale Energieeinbringung in die Elementdecke, als auch eine ideale Verdichtung der stärker bewehrten Tragschale bei den Doppelwänden. Die niederfrequente Schüttelbewegung wird durch vier Unwuchtantriebe erzeugt und dadurch der Beton verdichtet. Abhängig vom Eigengewicht der Wand oder Decke wird die Verdichtungsenergie automatisch eingestellt. Dies ermöglicht eine optimale, kreisrunde Schüttelbewegung mit niedriger Geräuschentwicklung. Für einen energieeffizienten Aushärtevorgang sorgt eine isolierte VArio CURE Härtekammer mit vier Regaltürmen und insgesamt 44 Aushärteplätzen. Ein spezielles Wärmezirkulationssystem von CureTec sorgt für konstante Klimabedingungen. Die eingestellten Temperaturen werden gleichmäßig im gesamten Kammerbereich durch eine ausreichende Warmluftzirkulation mittels Hochleistungsventilatoren sichergestellt. Der Warmlufterzeuger liefert die benötigte Wärmeenergie, um eine beschleunigte Erhärtung der Wände und Decken zu erreichen.
In der Doppelwandfertigung sorgt ein stationäres VArio TURN Palettenwendegerät für einen einfachen teilautomatischen Wendeprozess und besonders ergonomische Arbeitsabläufe. Dabei werden die Spannarme zur Vorarretierung der Erstschale vor dem Wendevorgang nicht mehr zeitaufwändig manuell eingebracht, sondern verbleiben direkt am Wendegerät, so dass die Erstschale der Doppelwand während der Hub- und Drehbewegung auf der Wendetraverse sicher gehalten wird. Eine automatische Wandstärkeneinstellung übernimmt die Höhe der Doppelwand automatisch. Auch die Höhenfixierung der Spannarme ist variabel ausgeführt. Eine von RIB SAA entwickelte LED-Anzeigeleiste an den Längsseiten des Wendegeräts zeigt an, an welchen Einstellpositionen keine Spannarme eingeschoben werden dürfen.
Ergonomische und sichere Verladung für den Baustellentransport
Effiziente Abläufe bestimmen ebenso die Verladetechnik. Das vertikale Abheben der Doppelwände erfolgt über eine VArio TILT Kippstation. Ein hydraulisch verfahrbarer Abstützbalken fährt gegen das Wandelement und verhindert so ein Verrutschen während des Kippvorgangs. Das Verladen erfolgt direkt in Transportgestelle.
Die Elementdecken werden nach vollständigen Aushärtevorgang über eine SMART LIFT Abhebetraverse abgehoben und für die Verladung und den Transport auf die Baustelle des Kunden bereitgestellt. Den Transport der Elementdeckenstapel in den Außenbereich übernimmt ein Ausfahrwagen. Die Deckenelemente werden direkt auf kundenseitige Absetzpolder oder auf den Absetzpoldern positionierten Transportgestelle abgesetzt. Über eine hydraulische Hubeinheit wird der Stapel bzw. das Transportgestell von den Absetzpoldern abgehoben und der Stapel bzw. das Transportgestell ausgefahren.
Smart Factory-Konzept mit ITWO MES Leitsystem
Um sämtliche Abläufe optimal und wirtschaftlich zu steuern, setzt man bei Bernegger auf ein Industrie 4.0-Konzept. „Analog einer digitalen Fabrik, indem die Maschinen über digitale Datenflüsse intelligent miteinander kommunizieren. Die Architekturdaten der Kunden erhalten wir zunächst virtuell in konstruktiven 3D BIM-Modellen, bevor industriell mit innovativer CAD/CAM-Robotik und hoher Automatisierung in der Serienfertigung produziert wird. Wichtig sind hierbei ein optimaler Austausch und die Übertragung relevanter Informationen in Bezug auf Zeichnungen, Materialvorräte, Lagerbestand und Logistik" erläutert Werksleiter Dipl.-Ing. Erich Moser. Hierbei setzt man auf das intelligente ITWO MES-Produktionssystem des Automatisierungsspezialisten RIB SAA Software Engineering.
Bei einer Smart Factory wie hier in Dietach sind alle Abläufe und Maschinen volldigital gesteuert und überwacht. Durchlaufzeiten und automatisierte Palettenbelegungen werden permanent optimiert, Daten automatisch verfolgt und aufbereitet, Auslagerreihenfolgen und Aushärtezeiten verwaltet und eine große Anzahl von Statistiken zur Verfügung gestellt. Bauteilzeichnungen, Belegungspläne, Auftragsstapel oder die aktuellen Lagerbestände sind immer visualisiert aufbereitet und mittels modernster Hardware, wie Tablets oder großer Multi-Touch Flat-Screens abrufbar. „Auf Papier können wir im Grund genommen schon heute komplett verzichten“ so Moser weiter.
Erstmalig energieneutrale Betonfertigteilproduktion in Österreich
„Digitalisierung ist eine zentrale Herausforderung der heutigen Zeit, um wirtschaftlich zu arbeiten. Aber auch Klimaschutz und Nachhaltigkeit sind für uns in der Bernegger-Familie wichtige Werte, die in alle Entscheidungen miteinfließen. Von Anfang war an war es daher unser Anspruch, dass wir in Dietach komplett energieneutral arbeiten. Dies macht das neue Betonfertigteilwerk vermutlich sogar in ganz Europa einmalig“ schildert Kurt Bernegger. So wird über die installierte Dach-Fotovoltaikanlage mehr Strom produziert, als im kompletten Anlagenbetrieb verbraucht wird. Und es geht noch darüber hinaus: Mittels Geothermie und Wärmepumpen wird Grundwasser erwärmt und so die Heizungsanlage und die Härtekammerklimatisierung betrieben. „Die Erfahrung aus den ersten Monaten zeigt, dass sich das System bewährt und ein zukunftsweisendes Konzept ist.“
Erste Baustellen werden beliefert
„Aktuell produzieren wir einschichtig täglich ca. 1.000 Quadratmeter Elementdecken und zusätzlich einige hundert Quadratmeter an Doppelwänden“ schildert DI Kurt Bernegger. „Vor dem Hintergrund des gesteckten Ziels des Markteintritts im Herbst 2022 haben wir den Auftrag im Januar 2021 relativ spät an die Projektpartner vergeben. Wir hatten einen sehr ambitionierten Bauzeitplan. Uns war klar, dass wenn die Rohbaumaßnahmen abgeschlossen sind, Vollert, AWM und SAA schon richtig unter Druck stehen, um das vorgegebene Zeitfenster einzuhalten. Aber die Termintreue hat funktioniert, vor allem wenn man bedenkt, dass der komplette Montage- und Abnahmeprozess in der COVID-19-Pandemie stattfand.“
„Im Nachgang muss man sagen, dass Vollert als erfahrener Anlagenexperte für uns der absolut richtige Partner war. Die zahlreichen technischen und wirtschaftlichen Inputs haben das Projektvorhaben vorangetrieben. Die partnerschaftliche Zusammenarbeit über Jahre hinweg und die zukunftsfähigen Optionen haben uns letztendlich überzeugt“ ergänzt DI Erich Moser. Für weiteres Wachstum und die nächsten Erweiterungspläne sieht man sich bei der Bernegger Gruppe heute zukunftsfähig aufgestellt.