Der renommierte deutsche Unternehmensberater Prof. Hermann Simon hat in seinem Buch "Hidden Champions: Erfolgsstrategien unbekannter Marktführer" versucht herauszufinden, was die Schlüsselfaktoren der deutschen Wirtschaft als Exportweltmeister sind. Hinter dem Erfolg stehen weniger die bekannten Großkonzerne wie beispielsweise Bayer, Daimler oder Siemens, sondern ein Netzwerk von klein- und mittelständischen Start-ups und häufig familiengeführten Traditionsunternehmen, die innovative Lösungen für bestimmte Märkte anbieten, die sie zu Weltmarktführern in ihrer Branche machen. Diese Innovationsführer stehen nicht im Rampenlicht, sie sind nicht an den Weltbörsen gelistet. Dieses Phänomen ist nicht nur in Deutschland zu finden. In Uralsk, im Westen Kasachstans, ist das Bauunternehmen Bolashak-T, gegründet von Kaidar Koshchanov, seit mehr als 25 Jahren sehr erfolgreich tätig.
Quantität steht nicht immer vor Qualität
Im Jahr 2014 kam Kaidar Koshchanov vor dem Hintergrund angekündigter Wohnbauförderprogramme in der Bauwirtschaft Kasachstans auch nach Baden-Württemberg. Auf der Suche nach neuen Technologien in der Bauindustrie besuchte er den Betonwerkspezialist Vollert. „Bolashak-T konzentrierte sich zum damaligen Zeitpunkt auf Transportbeton und auf die traditionelle Bauweise vorwiegend mit Ziegeln“ schildert Koshchanov. „Wir wollten aber den nächsten Schritt gehen und hatten eine Vision. Mehrgeschossige Wohn- und Industriegebäude auf Basis von Fertigteil-Bausystemen werden die Antwort auf hohe Nachfrage des Wachstumes Kasachstans sein, da war ich damals bereits sicher.“
Hohe tägliche Ausbringungsmengen an Wänden und Decken sind hierbei nicht der alleinig entscheidende Faktor, um wettbewerbsfähig und nachhaltig bei seinen Kunden erfolgreich zu sein. Bei einer Werksbesichtigung gemeinsam mit den Experten von Vollert im Betonfertigteilwerk von fdu in Öhringen zeigte sich Kaidar Koshchanov beeindruckt. Im Vergleich zu den Megafabriken der Sowjetzeit, die tausende Kubikmeter Stahlbeton und hunderttausende Quadratmeter Wohnraum jährlich produzierten, wirkte das fdu-Werk nahezu wie ein Minikosmos, der aber dennoch auf den Markt zugeschnittene Betonprodukte von höchster Qualität produzierte. „Das kompakte Anlagenkonzept, die geringe Mitarbeiteranzahl und die äußerst reibungslosen, sehr effizienten Abläufe beeindruckten.“ Ein kleiner, erfolgreicher Hidden Champion, und dass entgegen der Tatsache, dass es im Umkreis von 200-300 km zahlreicher solcher Bauunternehmen angesiedelt sind, die sich ebenso auf Elementdecken und einzelne konstruktive Elemente wie Treppen und Balkone spezialisierten.
Mitte 2014 entschied sich Bolashak-T für den Markteinstieg auf Basis des Fertigteil-Bausystems. „Der Einstieg in die Betonfertigteilproduktion erfordert zunächst einmal Klarheit darüber, welcher Häusertyp gebaut werden sollen und wie hoch die Baukosten sein werden“ schildert Igor Chukov, Executive Sales Director Russia/CIS bei Vollert. „Das ist Basis für die Vorplanung des Anlagenkonzepts und des Automatisierungsgrades der Maschinen und Abläufe.“ Innerhalb der nächsten Wochen wurde mit ELTICON aus Weißrussland der Hauptauftragnehmer für das Bausystem ausgewählt und die ersten Häuser-Prototypen entstanden. Mitbeteiligt war hierbei der renommierte Bauplaner Roman Kuzmichev. Als Technologielieferant für das neue Betonfertigteilwerk, das am Hauptstandort im westkasachischen Uralsk Anfang 2015 die Massiv- und Sandwichwandproduktion aufnahm, entschied man sich für den deutschen Anlagenbauer Vollert. Neben einem hohen Qualitätsniveau der Betonfertigteile lag das Augenmerk auf dem Automatisierungsgrad, um die gewünschte Anlagenproduktivität zu erreichen. CAD/CAM-Großplotter, eine energieeffiziente, vollverkleidete Härtekammer mit CureTec-Heizungssystem und modernste Maschinen für die Oberflächenverdelung setzen einen neuen Technologiestandard in Kasachstans junger Betonfertigteilindustrie. Und doch wurde das Gesamtprojekt stets von Kaidar Koshchanov, seinen Visionen und seiner unternehmerischen Risikobereitschaft vorangetrieben.
Die Vision geht weiter
Innerhalb von 6 Jahren hat Bolashak-T mehr als 300.000 qm Wohnraum geschaffen und 26 neunstöckige Wohnhäuser sind entstanden. Eine echte Erfolgsgeschichte, welche Bolsashak-T zu einem Hidden Champion in der Bauindustrie Kasachstans aufsteigen ließ. Dabei zählen aber nicht nur trockene Fakten und Statistiken wie die gebaute Wohnfläche. „Wichtiger ist uns, dass unsere Kunden die hohe Wohnqualität der Häuser schätzen. Dann wird aus einer reinen Vision echte Wohn-Realität“ berichtet Koshchanov. Heute produziert man 120% zu dem damalig geplanten vorgegebenen Planwert, die Werksauslastung ist bis Ende 2021 gesichert.
Man könnte sich jetzt gegenseitig beglückwünschen, eine Pause einlegen und als Technologieführer in der Region etwas ruhiger angehen lassen. Aber das gilt nicht für den Visionär Kaidar Koshchanov. Vielmehr arbeitet er nicht nur daran, die Anlagenproduktivität weiter zu steigern, sondern entwickelt aktuell neue 5- und 9-geschossige Wohnhäusertypen zusammen mit seinen Bauplanern und Architekten. Viele Gäste aus Kasachstan und den Nachbarländern besuchen inzwischen Bolsashak-T als Vorzeigeunternehmen in Uralsk, um sich mit dem industriellen Hausbau vertraut zu machen. Aufgrund der geographischen Lage behauptet Bolashak-T dabei heute nicht nur seine führende Marktposition in der Region Uralsk, sondern auch in der benachbarten russischen Region rund um Samara im Bausegment der Premium-Klasse. Ein echter Hidden Champions ist entstanden.
